Im Gespräch mit Olaf Hermes

Interview mit Dipl.-Ökonom Olaf Hermes, Vorstandsvorsitzenden der Regensburger Energie- und Wasserversorgung AG & Co. KG (REWAG)

24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr: Die Mitarbeiter der Netzleitstelle der REWAG besetzen im Schichtbetrieb ihre Plätze vor den großen Überwachungsmonitoren, um die immerwährende Versorgung der Menschen mit Strom, Erdgas, Wärme und Trinkwasser zu gewährleisten. Diese große Verantwortung birgt auch eine große Herausforderung, gerade dann, wenn permanent Anrufe von Kunden oder der Presse eingehen. Deswegen achtet der Personalbereich der REWAG schon beim Auswahlverfahren darauf, dass nur psychisch und charakterlich starke Persönlichkeiten vor den Monitoren Platz nehmen dürfen. Denn nur wer sturmfest ist, kann sich dieser Herausforderung stellen.

Aber was genau ist eigentlich eine Netzleitstelle und welche Anforderungen werden an die Mitarbeiter gestellt? Wir waren zu Gast bei Olaf Hermes, Vorstandsvorsitzender der REWAG, und stellten ihm alle Fragen rund um die Netzleitstelle.

Herr Hermes, jeder kennt die Netzleitstelle der REWAG, nur wenige wissen, was sie genau ist. Klären Sie uns bitte auf. 
Sehr gerne. Die Netzleitstelle ist der zentrale Ort bei einem Netzbetreiber, an dem alle Informationen nicht nur über die Netze, sondern auch über technische Anlagen wie z. B. die Blockheizkraftwerke, Wasserwerke, Gasanlagen und Stromanlagen zusammenlaufen. Deswegen wäre der korrekte Begriff Verbundleitstelle, weil Strom, Erdgas, Trinkwasser und Telekommunikation hier zusammentreffen. Alle technischen Anlagen, die mit Fernwirktechnik ausgestattet sind, die also Signale aussenden, sind in der Verbundleitstelle optisch und akustisch eingebunden.

Was wird in so einer Netzleitstelle alles gemacht? 
An den Bildschirmen der Netzleitstelle wird angezeigt, in welchem Betriebszustand sich die Anlagen befinden (z. B. sind Pumpen eingeschaltet, Messwerte wie Temperatur, Lastflüsse, Behälterstände, Störmeldungen, etc.). Wenn Störungen auftreten, sind Aktivitäten notwendig, um diese Störungen zu beheben oder Umschaltmaßnahmen einzuleiten, damit die Versorgung aufrecht erhalten oder im schlimmsten Fall schnellstmöglich wieder hergestellt werden kann. Das koordiniert die Netzleitstelle in Abstimmung mit den Rufbereitschaften oder Fachabteilungen. Die rufbereiten Techniker können zu jeder Tages- und Nachtzeit in Einsatz gebracht werden, um Störungen zu beheben. Das passiert häufig in Baugebieten, wenn zum Beispiel ein Bagger eine Leitung trifft und sie beschädigt. Das wird dann sofort optisch auf den Monitoren und durch akustische Signale in der Netzleitstelle angezeigt, sodass die Mitarbeiter, je nach Störung, die weiterführenden Maßnahmen einleiten und die Techniker mobilisieren können.

Wie funktioniert die Technik dahinter? 
In der Netzleitstelle gibt es eine große Projektionswand (ca. 6m x 2m), auf denen alle Netze und Anlagen angezeigt werden können. Kommt es zu Störungen, werden diese klassifiziert. Optische Signale machen den Mitarbeiter dann darauf aufmerksam, welches Ereignis an welcher Stelle eine Störung verursacht. Das optische Signal ist begleitet von akustischen Signalen, sodass sich die Mitarbeiter nicht nur auf die Augen verlassen müssen. So werden mehrere Sinne angesprochen und nichts wird übersehen. 
Natürlich melden sich auch die Kunden, wenn die Versorgung nicht funktioniert oder eine Störung vorliegt (z. B. Stromausfall, Wasserrohrbruch, Gasgeruch, etc.). Für diesen Fall gibt es für unsere Kunden Störungstelefonnummern. Eine telefonisch eingegangene Störung wird dann vom Leitstellenmitarbeiter bewertet und ebenso wie bei Störmeldungen aus dem Leitsystem werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Die Meldungen kommen also von der Technik sowie von den Kunden. 
Bei Wasser funktioniert die ganze Sache ein Stück anders. Hier haben wir zusätzlich ständige proaktive Eingriffe in die Netzsteuerung zu machen, wie z. B. das Befüllen von Hochbehältern in der Nacht, damit am Morgen, wenn der Wasserverbrauch am höchsten ist, genügend Wasser für die Verbraucher vorhanden ist. Dabei wird auch der Wasserdruck immer kontrolliert. Es ist also nicht nur eine reine Störungsbearbeitung, sondern auch eine Netz- und Anlagensteuerung, die unsere Mitarbeiter hier leisten müssen.

Wie reagieren die Mitarbeiter der Netzleitstelle, wenn Probleme auftreten? 
Je nach Sparte gibt es verschiedene Ablaufpläne, welche Schritte bei welcher Störung eingeleitet werden müssen. Wenn ein Wasserrohr bricht, dann kann man nicht viel umleiten, da muss sofort die Tiefbaukolonne raus und der Schaden behoben werden. Beim Strom ist es oft so, dass wir redundante Netzsysteme (in der Regel in den Mittelspannungsnetzen) haben. Da leistet man dann sozusagen erste Hilfe, indem man den elektrischen Weg einfach umleitet. Im zweiten Schritt wird bis auf einen Meter genau lokalisiert, wo der Fehler ist, damit vor Ort Maßnahmen ergriffen werden können, um den Fehler schnellstmöglich zu beheben. Auch hier wird dann eine Tiefbaukolonne aktiviert, die die Fehlerstelle freilegt, damit weitere Fachkräfte eine Kabelreparatur durchführen können.

Wie funktioniert die Wartung der Netzleitstelle? 
Die Wartung der Netzleitstelle ist im Wesentlichen die Softwarepflege. Die Software muss aktuell gehalten werden und immer fehlerfrei laufen. Es ist eine spezielle Leitstellensoftware, die dann individuell angepasst wird. Aktuell sind wir auch dabei, das neue IT-Sicherheitsgesetz umzusetzen. Das entsprechende Upgrade hat, neben einer Vielzahl von Detailänderungen, drei große Ziele: Das erste Ziel ist ein besserer Schutz des Systems vor „Hackerangriffen“, das zweite Ziel ist, die Visualisierung noch besser zu gestalten, sodass eine bessere Prägnanz, eine bessere Klarheit und eine bessere Übersichtlichkeit erreicht wird. Das dritte Ziel des Upgrades ist die Integrierung einer Notleitstelle mit autarkem System, die mit dem autarken System der Netzleitstelle hier nicht mehr viel zu tun hat. Das heißt, wenn aufgrund eines Brands, einer Explosion, eines Bombenfunds usw. die Netzleitstelle nicht mehr besetzt werden kann, würde auf eine externe Notleitstelle zurückgegriffen werden. Das alles muss im neuen Softwareupgrade natürlich bedacht und integriert werden.

Die Notleitstelle ist also der Plan B? 
Genau, die Notleitstelle ist quasi eine Redundanz, die uns absichert. Das Thema Sicherheit ist allgemein ein großer Aspekt. Deswegen wird, parallel zur Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes, im zweiten Quartal 2017 die Notleitstelle fertiggestellt.

Das Interview führte Fatma Scharl.

Olaf Hermes, REWAG-Vorstandsvorsitzender

Olaf Hermes, REWAG-Vorstandsvorsitzender